Sonntag, 30. Juni 2024

Nach dem Frühstück

haben Vater und Sohn sich auf den Heimweg gemacht. Und ich habe mal wieder Sachen hin und her getragen – für zwei Nächte hatte ich Asyl nebenan beim Hausmann – habe ein bisschen aufgeräumt und gesaugt, die vergangenen Stunden Revue passieren lassen. Mit dem Freund ist es immer intensiv. Ganz bestimmt nicht langweilig. Der Sohn ist ein ähnliches Kaliber. Egal, ob sie mit zur Jam Session in die Kirche kommen, Fahrräder und anderes reparieren oder hier mit den Nachbarn zusammen sitzen. Immer sind sie neugierig auf andere Menschen, sind offen, zugewandt, begeistert und engagiert in der Kommunikation. Ich staune, mit welcher Geschwindigkeit sie Menschen kennenlernen. Es macht Spaß, mit ihnen unterwegs zu sein oder auch nur, ihnen zuzuschauen oder zuzuhören.

Am späten Abend gehe ich noch einmal in den Wald. So haben wir es auch in den vergangenen Tagen gehalten. Gestern sind wir in der Halbzeitpause los gelaufen. Heute möchte ich sehen, ob die Glühwürmchen auch bei Nebel unterwegs sind. Weit komme ich nicht. Quer über dem Weg liegt ein abgebrochener Ast. Den bekomme ich alleine nicht von der Stelle. Aber Glühwürmchen sind da. Nicht so viele wie in den letzten Tagen, aber noch genug. Der Nebelmann, den ich eben noch auf der Wiese gesehen habe, bewegt sich nur ein paar Schritte hinter mir. Ist mir nicht unheimlich. Ich pfeife nur ein bisschen.

Freitag, 28. Juni 2024

Das Großraum-Taxi,

das um 18 Uhr als quasi Linienbus von Kyritz nach Neustadt fährt, hatte ich gestern für mich allein. Ich war beeindruckt. Nach ein paar Stunden in der netten Kleinstadt, die ich inzwischen ins Herz geschlossen habe, wollte ich dann doch heim. Mir war es immer noch viel zu warm. Den Fahrer des Busses habe ich meinerseits beeindruckt. Was??? Sein Kopf war nach hinten geschnellt. Sie sind hierher gezogen, obwohl Sie kein Auto haben? Ohne Auto, also das funktioniert eigentlich nicht.

Wir haben uns überhaupt sehr nett unterhalten. Er ist Kyritzer. Kann sich auch nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Warum auch? In zwei Stunden ist er an der Ostsee, in anderthalb in Berlin, was er so reizvoll auch nicht findet. Er hat hier alles, was er braucht.

Und was brauche ich? Ab und zu ein Treffen wie gestern mit den jungen Dichterinnen. Einen Leseausweis für die Bibliothek. Erledigt. Zwei neue Krimis und zwei Bücher von meiner Leseliste, ein drittes kann ich mir als Ebook laden. Und dann habe ich auch noch einen wunderbaren Eisladen in Kyritz entdeckt – die „Eismühle“ in der Hamburger Straße. Mehr brauche ich an einem so warmen Tag ganz bestimmt nicht.



Mittwoch, 26. Juni 2024

Eigentlich wollte ich zum Schwimmen an die Havel

So wie gestern auch schon. Die Picknickdecke und den Badeanzug hatte ich schon eingepackt, den Akku aufgeladen. Gestern ist mir immer etwas dazwischen gekommen – Telefonate, eine noch schnell zu verschickende Nachricht, Hunger – heute hat mich das Hitzekoma gepackt. Eine Lähmung von Geist und Körper, der ich mit lauwarmen Tee und den Geistern der Navajos begegne, von denen Tony Hillerman in seinen packenden Krimis schrieb. Ich habe die Bücher alle schon einmal in den 90ern gelesen, nun lese ich sie mit derselben Begeisterung erneut. Verfalle wie damals der Landschaft, der Kultur, den Ermittlern Leaphorn und Chee. Der Navajo Tribal Council hatte dem Autor den Titel „Special Friend of the Diné“ gegeben, und Schülerinnen der St. Cathrins Indian School (die Schule wurde 1998 geschlossen) hatten ihn zum beliebtesten Autor gewählt.

Wenn es dunkel ist, gehe ich noch einmal hinaus, laufe die paar Schritte zum Wald und suche Leuchtkäfer. Es kommt mir vor, als würden es täglich mehr werden. Natürlich rede ich auch mit ihnen. Wenn du so weit unten hockst, dann sieht dich vielleicht keiner. Geht es nicht ein bisschen höher? Die Herren ermuntere ich, weiter vorn zu suchen. Da sitzen die Damen ganz dicht beisammen. Die warten auch nicht ewig.



 


 

Dienstag, 25. Juni 2024

Am Himmel weiße Wolken

Im Wiesengrün leuchten zwei Kürbisblüten. Es duftet nach wilder Rose. Ein leichter Wind bewegt die Blätter der Magnolie. Abwechselnd kommen rote, gelbe und schwarze geflügelte Wesen und setzen sich auf den Rand meiner Tasse. Was finden sie da so anziehend? Ich trinke Tee vom Chaga Pilz, der von Birken in estnischen Wäldern geerntet wurde. Man sagt diesem Pilz eine heilende Wirkung bei Entzündungen und Magenschmerzen nach. Er beruhigt oder regt das Immunsystem an und wirkt sich positiv auf Gelenkbeschwerden aus. Usw. usw. Ein Alleskönner aufgrund hunderter Antioxidantien, sibirische Schamanen benutzen ihn. Wahrscheinlich bin ich in einigen Monaten so gut wie neu.

Sonntag, 23. Juni 2024

bed of roses

Natürlich ist mir Jon Bon Jovi eingefallen, als ich dachte, ich würde auch gern wie die hübschen grünen Käfer in einem Bett aus Rosen schlafen. Diese Farben. Der betörende Duft. Rosenkäfer mögen Nektar und Pollen, aber wer sich von den Käfern gestört fühlt, der darf sie absammeln und an einen anderen Ort bringen. Sie stehen unter Naturschutz. Hier stören sie niemanden. Glühwürmchen würden schon mal gar nicht stören. Allerdings habe ich gestern Abend im Garten keine entdecken können. Dafür schwebten sie gleich ein paar Meter hinter dem Zaun, also dort, wo der Wald anfängt.

Von den leuchtenden Käfern war mir beim gemeinsamen Abendessen berichtet worden. Natürlich musste ich sie mit eigenen Augen sehen. Vor mir auf dem Waldweg, links und rechts im Unterholz, überall schwebten und leuchteten sie. Wie winzige Feen oder Waldgeister. Da ich in der Dunkelheit alles ein wenig verschwommen sehe, war es noch magischer.

Es gibt drei Arten von Leuchtkäfern in Deutschland. Kleiner, Großer und Kurzflügel Leuchtkäfer. Sämtliche Damen haben keine Flügel, können demzufolge nicht fliegen, und von den Männchen können nur die des Kleinen Leuchtkäfers leuchten. Nach weiblicher Logik müssen in unserem Wald also Kleine Leuchtkäfer unterwegs sein. Auf dem Rückweg war es dann schon vorbei mit dem Liebesrausch. Vereinzelt leuchteten kleine Punkte an Halmen, im Gras. Das waren die wartenden Damen, die den interessierten Herren den Weg leuchteten. Nach 3 Jahren Larven-Dasein – sie fressen Schnecken!!! – ist ihnen nur ein kurzes Glück beschieden. Kurz nach der Paarung stirbt das Männchen, das Weibchen, wenn die Eier abgelegt sind. Ungefähr nach einer Woche. Immer wieder bin ich darüber erstaunt, was in der Natur so vor sich geht. Wer sich das ausgedacht hat.



Rosenkäfer


 

Samstag, 22. Juni 2024

Geschafft

Briefe aus fast 60 Jahren, die Christa Wolf an Kollegen, Freunde, Leserinnen, Leser, Verlagsleute, Politiker geschrieben hat. 1000 Seiten Lektüre, die teilweise so spannend war, dass ich nicht wusste, was ich mir als erstes dazu notieren sollte. Manchmal hätte ich den ganzen Brief. Jetzt habe ich noch eine lange Liste mit Büchern, nach denen ich nächsten Donnerstag in der Bibliothek in Kyritz Ausschau halten werde. Im Nachwort lese ich, dass Christa Wolf ein Mensch war, der immer auch mit Krankheiten, Zusammenbrüchen, Krankenhausaufenthalten auf Krisen reagiert und dies in ihrem Schreiben auch thematisiert hatte. Als alte Psychosomatin halte ich das für normal, frage mich eher, warum so viele Menschen gesund sind.

Da ich versprochen habe, heute bei der Veranstaltung in der Kirche Kiris poetische Texte zu lesen, übe ich immer wieder laut. Mal für den Kater, mal für die Wiese….und noch einmal von vorne bitte.

Donnerstag, 20. Juni 2024


 

Im Storchennest in Sieversdorf

sitzen zwei junge Störche. Ich sehe Köpfe und Hälse. Große Freude. Da hätte ich auch auf der Storchenbank mein Eis löffeln können. Wenn ich dies nicht schon ein paar Kilometer vorher, gemütlich unter einem Baum an einer Wiese sitzend, erledigt hätte. Schweizer Schokolade mit Rum(aroma). Zum Hineinlegen. Meine Fahrradtaschen mal wieder gut gefüllt. Sieb und Teigschaber, Wäscheklammern und Meisenknödel, diese Dinge habe ich tatsächlich im Sonderpostenmarkt gefunden, den zu besuchen, mir der Hausmann schon häufiger vorgeschlagen hat. Allerdings mag ich weder Bau-, Super-, noch Sonderpostenmärkte. Das Überangebot dort irritiert und stresst mich.

In den letzten Tagen sind mir immer wieder einzelne Kraniche in den Wiesen aufgefallen. Haben sie ihre Partner verloren? Hatten noch nie einen? Kraniche sind monogam und treu. Andererseits hat der indische Biologe Gopi Sundar über einen langen Zeitraum beobachtet, dass es auch Kraniche gibt – Saruskraniche in diesem Fall -, die zu dritt leben. Der dritte im Bunde übernimmt dabei die Aufgabe eines Kindermädchens, das den Eltern bei der Aufzucht hilft. Wie das vorher kommuniziert wird, ob das für den dritten Kranich eher die Notlösung ist oder ob er sich für diese Lebensweise entscheidet, das würde mich interessieren, aber darüber habe ich keine Informationen gefunden. Vielleicht sind meine einzelnen Kraniche ja die einsamen Babysitter, die auf ihren Einsatz warten.



Dienstag, 18. Juni 2024

Tagsüber schwere Regenfälle

Hoffentlich nicht, wenn ich zur Kirche fahre. Im Offenen Atelier ist heute ein Workshop im Rahmen der „Residenz der Provinzsphäre“ zum Thema „Zeichen, Icons entwerfen und Schablonen erstellen“. Ich weiß nicht, ob ich so etwas brauche, nette Menschen schon. Auf die freue ich mich. So wie mich auch die Aussicht auf das Reparatur-Café freut, das der Buckower Freund zusammen mit seinem Sohn nächsten Samstag in der Kirche gestalten wird.

Ich finde es super, dass er jetzt auch mal bei uns repariert. Was für ein Glück, dass ihm die Kirche und die Leute hier so gut gefallen. Und wenn sich keine Nachahmer finden, die im Dorf selber etwas Ähnliches auf die Beine stellen, wenn keine „Kunden“ kommen, dann essen wir den Kuchen ganz alleine auf. Backen werden der Hausmann und ich, das ist selbstverständlich.

Sonntag, 16. Juni 2024

Die Wiesengräser machen la-ola für mich

Über der Kuhweide schon wieder eine dicke dunkle Wolke. Hoffentlich schafft der Taxifahrer es, trocken hier anzukommen. Er ist mit dem Motorrad unterwegs. Heute Morgen habe ich ihm Fotos von den Kuchen mit entsprechenden Bemerkungen geschickt. Der mit den Aprikosen ist zu sauer, der Zitronenkuchen am Rand zu knusprig – den habe ich gestern noch schnell hinterher gebacken – aber dem Hausmann schmecken beide. Kaffee um 14.30 Uhr. Und siehe da, er hat sich auf den Weg gemacht. 

Auch ich sollte mich auf den Weg machen. Heute ist der letzte Termin für die Abgabe des Erfahrungsberichtes, den wir für die Ausbildung bei Gerald Hüther brauchen. Dabei hatte ich schon im März eine Rohfassung fertig. Aber die muss gekürzt werden. Vielleicht auch entschärft. Wenn ich ärgerlich bin - und ich ärgere mich, dass ich mich habe verführen lassen, so viel Geld auszugeben, Geld, das mir jeden Monat fehlt, das ich wesentlich sinnvoller hätte ausgeben können - dann bin ich nicht zimperlich. Aber vielleicht muss es auch mal jemand sagen. Der Kaiser hat keine Kleider....



 

Samstag, 15. Juni 2024

Regen und Wind

Auf der Wiese wiegen sich die Gräser. Über den Kühen eine dicke schwarze Wolke. Der Kuchen ist sauer. Bzw. die Aprikosen sind es. Ich hätte vermutlich 500 g Zucker nehmen müssen. Dabei hätte ich es ja wissen können, auch der Kuchen vom Hausmann letzte Woche war sauer. Aber hätte hätte bringt mich nicht weiter. Dann muss morgen die Sahne gesüßt werden. Auch eine dicke süße Schmandhaube wäre denkbar. Dann müsste ich noch einmal nach Neustadt. Gestern war ich geradezu verzaubert von der Stimmung auf der Strecke übers Gestüt. Der leichte Wind, das Licht, die guten Düfte. Erde. Gräser. Blüten. Und dann noch die Fohlen.

 

Freitag, 14. Juni 2024


 

Neugierig schaut der Spatz zu mir herein

Keine Knödel? Ist das dein Ernst? Der Storch lässt sich auf die Wiese plumpsen. Im hohen Gras ein Reh. Ich sehe gerade mal die Ohren. Das Gezeter der Kolkraben hat aufgehört. Ich überlege, wie ich meine Bohnen schützen kann. Als ich gestern Abend mit der Taschenlampe noch einmal am Beet war, konnte ich keine Schnecke in flagranti erwischen. Trotzdem schien es mir heute so, als wäre der Blattfraß fortgeschritten. Der Buckower Freund hatte eine Bierfalle empfohlen. Allerdings muss es ein tieferes Gefäß sein, wie er mir vorhin am Telefon sagte. Das wird in der Erde vergraben, und da fallen sie dann rein und ertrinken. Über meinen Teller werden sie sich köstlich amüsiert haben. Ey Leute, kommt mal alle her….



 

Donnerstag, 13. Juni 2024

Die Nacht kurz und unerquicklich

Trotz Wärmflasche bin ich nicht warm geworden. Der Buckower Freund hat mich gestern Abend noch überredet, mit ihm zum Kanal zu fahren, wo er unreife Nüsse ernten wollte, damit wir heute Vin de Noix ansetzen können. Ich fungiere als Beraterin. Vorher hatten wir zwei Stunden am Computer verbracht – ich teilweise so wütend, dass ich mal wieder was kaputt machen wollte – um die alten Teile von meinem E-Bike bei Ebay zu verkaufen. Die sind neu so teuer, da kann man selbst mit gebrauchten oder defekten Dingen noch ein kleines Geschäft machen. Und das wäre nicht schlecht, hat der Umbau doch einiges an Geld gekostet. Geld, das ich eigentlich gar nicht habe. Egal. Nach dieser Aktion wäre so eine kleine Radtour jedenfalls genau das Richtige.

Es waren dann tatsächlich nur vier Kilometer, auch die Nüsse konnten geerntet werden, nur habe ich die ganze Zeit gefroren. Und dann noch diese Jungmänner, die uns auf der Brücke in die Lenker greifen wollten. Na, du alter Opa? Na, du alte Oma? Leider fallen mir immer erst später passende Reaktionen ein. Na, du kleiner Scheißer? Fürs nächste Mal.

Irgendwann war mir im Bett dann aber warm, so warm, dass ich endlich einschlafen konnte, aber was hat das gedauert. Zwei Stunden später bin ich wieder aufgewacht, weil mir übel war. Übel und elend. So elend, wie mir nur nachts sein kann. Ich weiß nicht, ob das eine alte Erinnerungsschleife ist, die mich immer wieder einholt, ich weiß nur, dass dieser Schmerz psychisch und körperlich zugleich ist. Vielleicht ein Muster im Gehirn, das nachts aktiviert wird und mich an die Zeit als Säugling erinnert. An diese ersten neun Monate, die ich im Heim war. Ich habe mich in den letzten Wochen ja noch einmal intensiv mit dem Thema Trauma beschäftigt, beschäftigen müssen, und da ist mir eigentlich erst klar geworden, welche Folgen es für ein winziges, im Wachstum befindliches Gehirn hat, wenn es keine Mutter gibt, die ihm hilft, sich selbst zu regulieren. Ein frisch geborener Säugling kann das nicht alleine, da sind die ersten Monate sehr entscheidend. Andererseits kann ich auch dankbar sein, immerhin gibt es etliche Nächte, in denen ich sehr gut schlafe.



Montag, 10. Juni 2024

Das Geräusch des Rasenmähers

bestätigt meinen Verdacht. Der Hausmann ist an meinem Beet. Er mäht das Stück Wiese daneben, damit die Bohnen mehr Platz haben. Ich habe übrigens festgestellt, dass ich in Bezug auf „meine“ Pflanzen ein anderes Gefühl habe als bei „fremden“. Meine Begeisterung für jene, die ein anderer Mensch gesät, gesetzt hat, hält sich in Grenzen bzw. ist nicht vorhanden. Sind halt Pflanzen, mein Gott. Allerdings ist das auch nicht die ganze Wahrheit, denn in den Gärten der Freundinnen bewundere ich alles, was da wächst, vor allem bewundere ich die Arbeit, die dahinter steckt. Chapeau.

Am liebsten würde ich einen Stuhl neben die Bohnen stellen und ihnen beim Wachsen zusehen. Mit den Tomaten und dem Rosmarin habe ich schon gesprochen. Wenn Liebe Tomaten und Bohnen wachsen lässt, dann müsste ich reichlich ernten können. Aber jetzt sollte ich erst einmal verhindern, dass der Hausmann ein Gerüst für Mammutbäume baut oder eine Doktorarbeit zum Thema verfasst. Das sind nur Bohnen, Mann.



Samstag, 8. Juni 2024

Dieses Rauschen der Blätter

Der weite Blick über die Wiese hin zum Waldrand. Ich sitze bequem an eine Pappel gelehnt im Schatten. Das könnte stundenlang so weitergehen. Sitzen, immer abwechselnd auf Gräser oder in den Himmel schauen, den kleinen weißen Wolken folgen. Der Hund weiß nicht so recht, wie er mein Benehmen deuten soll. Ein junger Stier kommt in unsere Richtung geschlendert. Ich bin ohne Leine unterwegs und sollte verhindern, dass der Hund unter dem Weidenzaun durchflutscht und den Stier jagt. Oder gejagt wird, ich habe keine Ahnung, wie das aussehen würde, will es auch nicht herausbekommen. Wir gehen. Hallo? Hast du gehört? Nein, wir gehen hier entlang.

Der Hund bellt Richtung Stier, dann laufen beide – jeder auf seiner Seite des Zauns – um die Wette. Der Hund soll sich schonen. Das ist leichter gesagt als getan. So ein Tier weiß nichts von Krankheit und Tumoren. Wenn es ihm gut geht, dann will er rennen. Und vermutlich staunt er, wenn er später plötzlich Schmerzen hat. Was bis jetzt noch nicht passiert ist, wenn ich ihm Gesellschaft geleistet habe. Aber ich weiß, wo die Tabletten sind.

Manitu sei Dank kommen wir heil nach Hause. Wo wir es uns beide im kühlen Wohnzimmer gemütlich machen. Der Hund nimmt sich eine Möhre, und ich verschwinde in dem Roman „Das weiße Land der Seele“ von Olga Kharitidi, den ich vor etlichen Jahren schon einmal gelesen habe. Die Freundin hat ihn mir auf den Tisch gelegt, und ich bin sofort wieder fasziniert von der ehemals in Nowosibirsk lebenden Psychiaterin, die von einer Reise ins Altai-Gebirge zu einer Schamanin berichtet. Altai…allein der Name weckt eine leise Sehnsucht in mir.



 

Freitag, 7. Juni 2024


 

Kleine Sünden werden nicht sofort,

aber Stunden später bestraft. Das Schnitzel. Der Kartoffelsalat. Das Eis. Alles ziemlich lecker im Café Schröder am Markt in Kyritz, aber heute Nacht rebellierte mein Magen. Dem es in den letzten Tagen besser ging. Eigentlich wollte ich zu den Dichterinnen, aber sie treffen sich erst Ende Juni wieder. Dann musste ich mir eben etwas gönnen. Ein Käsebrötchen im Park hätte es auch getan, klüger wäre es ebenfalls gewesen, aber ich bin manchmal unvernünftig. Und den Park habe ich erst auf dem Rückweg zum Bahnhof entdeckt. In der schönen Anlage muss es noch einen Teich, Bänke und einen Pavillon geben, aber ich hatte keine Zeit mehr für einen Spaziergang, sonst hätte ich auch diesen Zug verpasst.

Nach dem Schnitzel war ich noch in der Galerie spielRaum, wo aktuell Stillleben von Christoph Gramberg zu sehen sind. Zitronen und Birnen in schönen Schalen auf Tischen, weiß gedeckt, Sommerhüte nebeneinander an Haken. Die Betreiberin Christine Nandzig den Besuchern sehr zugewandt. Da kann man herrlich über die Frische des Obstes, über Farben und eigene Assoziationen reden, darüber, welche Bilder wir gern besitzen würden. Heute wären das die Sommerhüte.



Mittwoch, 5. Juni 2024

Am Vormittag

sieht es immer wieder nach Regen aus. Ab und zu tröpfelt es. Auf der Wiese ein Storch. Oder „der“ Storch. Nachdem die ersten Blätter der Feige Frost abbekommen haben, sind die zweiten doch noch ordentlich groß geworden. Der Knödel wirkt klein inmitten des üppigen Grüns. Auf den Wiesen wird Heu gemacht. Gegen 2 fahre ich mit meinem ach so geliebten Rad – wie das zischt mit dem neuen Motor, dem neuen Akku – zur Kirche ins Offene Atelier. Zwei Monate lang kann ich dort jetzt wieder mit anderen zusammen kreativ sein. Kann alte Bekannte treffen und Neues lernen.

Später setze ich mich mit dem dicken Buch – immer noch die Briefe von Christa Wolf – unter die Kastanie. Ich liebe den Lichtwechsel, die Geräusche. Noch bin ich ganz alleine hier. Alle sind ausgeflogen. Ein seltener Moment.

Inzwischen bin ich mit den Briefen im Jahr 1988 angekommen. Die Menschen in der DDR sind mutiger geworden. Sie drängen immer mehr auf Meinungsfreiheit. Chr. Wolf schreibt immer wieder Briefe an Honecker, um sich für inhaftierte Menschen aus der Friedens- oder Ökobewegung einzusetzen. Sie ist mit den Jahren mutiger geworden. Eine Zeitreise. Und dabei so aktuell. 

Abends stöbere ich in der Kiste, die unter meinem Bett steht. Ich suche ein Foto. Es gehört zu dem Interview, das ich mit dem Holzkünstler Eckehart Ruthenberg gemacht habe. Ich finde alles mögliche. Tarotkarten. Wann habe ich das letzte Mal? Jahre her. Besondere Postkarten. Zeitschriften, die ich für das Schreiben mit der Schere aufbewahrt habe. Da könnte ich doch eigentlich ein bisschen schnippeln.



 


 

Montag, 3. Juni 2024

Beglückend und heiter

Wenn der Hund morgens auf den Hinterbeinen steht, damit er durch das Küchenfenster sehen kann. Kommt sie endlich? Wenn er quietscht und hopst vor Freude. Wenn er sich beim Spaziergang immer wieder ins Grün wirft. Dem Rauschen der Pappeln auf dem Feldweg lauschen. Im Garten der Freundin Pflanzen und Falter mit witzigen Namen entdecken. Erschwerte Recherche. Netz noch schlimmer als bei uns im Dorf. Kompass Lattich. Kleinköpfiger Pippau. Schönbär. Große Freude auch, wenn Vater und Sohn abends endlich da sind. Nach 93 km, die sie abwechselnd mit meinem Rad zurückgelegt haben. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ihre Ankunft war mir 3 Stunden früher avisiert worden.

Der Sohn (41) so erschöpft, er glaubt nicht, dass er die Treppe zum Atelier hochkommt. Er will die Nacht bei einer Kuh verbringen (die stehen im Moment quasi vor unserem Garten), die keine Fragen stellt. Der Vater (75) mopsfidel, der flickt im Dunkeln noch schnell einen Schlauch. Und gäbe es hier im Dorf eine Kneipe, dann wüsste ich doch sicher, was er jetzt tun würde.

Am nächsten Tag wollen die beiden nach dem Frühstück wieder zurück. Ohne den unfreiwilligen Umweg, dann sind es „nur“ 68 km. Auch die Aussicht auf einen köstlichen Hausmann-Kuchen und den Besuch einer lieben Freundin kann sie nicht umstimmen. Männer müssen tun, was Männer tun müssen. Oder so ähnlich. Abfahrt natürlich erst, nachdem mir die Neuerungen an meinem Rad ausführlich erklärt worden sind. Hier kannst du das und das einstellen, da löschst du die Tageskilometer, und wenn du schneller anfahren willst, würde ich aber nicht machen, gerade vor einem Berg, einer Kurve, dann hier usw. usw. Ich vergesse das meiste sofort. Eine Probefahrt muss natürlich auch sein. Ich bin begeistert. So begeistert, dass ich Stunden später noch schnell unseren Plattenweg hoch und runter fahre, bevor ich ins Bett gehe.



Fast geschafft

Es ist mir schon beim Frühstück aufgefallen. Die Weihnachtsmusik geht mir auf den Senkel. Vielleicht wäre es anders, gäbe es wenigstens eine...