Mittwoch, 12. April 2023

Wieder im eigenen Bett

Um 4.50 Uhr war Nebel über der Wiese. Vorher hing da noch ein halber Mond. Vor dem Fenster am Essplatz flattern Bachstelzen. Auf der Stromleitung wippt ein Star. Blaumeisen sonnen sich. Der Buntspecht kommt angeflogen, lässt sich nieder, schaut nach links, nach rechts, wie umsichtig der ist, bevor er sich am Knödel bedient. 

Ich werde mich in den nächsten Tagen ein wenig intensiver bei Ebay oder auf einem anderen Portal nach einem gebrauchten E-Bike umschauen. Seit ich vor ein paar Tagen beim Buckower Freund mit seinem Bike zur Rudower Höhe gefahren bin, den 3-Dörferblick haben wir auch mitgenommen, bin ich bekehrt. Die Handgelenke taten mir zwar auch auf diesem Rad beim Fahren weh. Aber sonst war es ein Genuss. Eine große Freude. Hätte ich schon früher haben können, aber hätte hätte. Ja. Ich will. Ich will ein E-Bike. Das würde mein Landleben hier doch sehr erleichtern.

Heute Nacht sagte im Traum jemand zu mir, dass Gott sich über meine Entscheidung freuen würde. Darauf antwortete ich, dass Gott so etwas sch..egal ist. Woher er - der Fragende - überhaupt wisse, was Gott wolle? Immer diese falschen Gläubigen. Die ganz genau wissen, was Gott will, was ihn freut. Soweit ich das beurteilen kann, geht es in diesem (in anderen vielleicht auch) Leben darum, mich  auszuprobieren. Unabhängig davon, was andere Menschen darüber denken. Von der Liebe usw. mal abgesehen. Das ist schwierig genug.

 

Sonntag, 9. April 2023

Ein ehemals belebtes Haus ist traurig

Der Iraker ist schon vor ein paar Wochen ausgezogen. Die Italienerin ist in Italien. Ich vermute, dies ist das letzte Mal, bevor sie im Juni in ihre Heimat zurückkehrt. Der Hausmann lässt sich von seiner Familie am Bodensee päppeln, der Tunesier geht auch Ostern ins Büro, und die Thailänderin müsste sich jetzt in diesem Moment irgendwo in der Nähe des Flughafens BER befinden. Ich habe sie die ganze Nacht gehört, wie sie treppauf, treppab gelaufen ist und wahrscheinlich nicht geschlafen hat. 

Gestern Abend haben wir beide beim Italiener an der Rehwiese ihren Abschied gefeiert. Sie war noch ein wenig gesprächiger und quirliger als sonst, die Aufregung vermutlich. Ich habe in diesen zweieinhalb Stunden mit ihr allein noch einmal ein ganz anderes Bild, einen anderen Eindruck von ihr bekommen. Sie hat mich in ihr Herz schauen lassen und ein paar Geheimnisse preisgegeben. Die Kinder, kann ich da nur sagen. (So haben der Hausmann und ich gelegentlich im scherzhaften Ton von unseren jungen Mitbewohnern gesprochen, sie wussten davon, nannten uns ihrerseits liebevoll Zweitmutter/Vater.) Sie erzählen einem nicht alles. Natürlich nicht. Das können sie vielleicht erst tun, wenn sie das Haus verlassen. Ich vermute, dass mir vor allem eine Szene in Erinnerung bleiben wird: Wie diese junge Frau am Ende heiter und gelöst Arm in Arm mit dem italienischen Kellner zur Tür geht, wie er ihr hinterherwinkt. Gute Reise. Arrivederci. Ciao. Ein anrührendes Bild. 

Obwohl ich auf das Gewusel am Zoo sehr gut verzichten kann, wurde mir vorgestern plötzlich sehr eigenartig, als ich durch die bekannten Straßen zu unserem Haus lief. Mein Herz tat weh. Himmel. Das war meine Heimat. Vielleicht die einzige - von ein oder zwei Partnern abgesehen - die ich jemals hatte, die ich jemals spüren konnte. Und die musste ich jetzt verlassen. Das fühlte sich an wie Liebeskummer. Solch heftige Gefühle stellen sich bei mir manchmal mit Verzögerung ein.

Donnerstag, 6. April 2023

Blaumeise, Kohlmeise und Spatz an einem Knödel

In der Nacht ist über mir ein Tier gelaufen. Der Marder wahrscheinlich. Heute Morgen war die Wiese weiß. Gestern bin ich eine große Runde auf nicht ganz legalen Wegen bis zum Butterbaum gelaufen. Wie sehr ich diese verschiedenen Grüntöne in der Natur liebe. Das Moos. Auch die abgestorbenen Bäume sind mir lieb. Versehrte. Beschädigte. Die netten Frauen aus der Maisonette sind schon wieder fort. Das war ein kurzer Aufenthalt. Vielleicht überlegen sie sich die Sache mit der Kündigung noch einmal. Ich hätte nichts dagegen. Die beiden sind angenehme Nachbarinnen.  

Von Frau J. habe ich mir Günter de Bruyns Autobiographie "Vierzig Jahre" geliehen. Vierzig Jahre hat er in der DDR gelebt und aufgeschrieben offensichtlich. Ich lese mit roten Ohren. "Begeisterung wurde nur noch von jenen verlangt, die aufsteigen wollten, bei den anderen genügte Unterordnung. Es gab eine Art Stillhalteabkommen zwischen unten und oben....unbotmäßige Gedanken wurden bald auch im engen Kreis kaum noch geäußert...." Kaum zu glauben, dass dieses Buch 1998 erschienen ist.
"...und der Ton, in dem er davon erzählte, offenbarte mir schon in der ersten Stunde eine Seelen- und Geistesverwandtschaft, die sich nicht nur auf Vergangenes bezog. Wer so über das diktatorische Gestern redete, musste das Heute ähnlich empfingen."  So erkennen sich auch heute Geistesverwandte.  


Dienstag, 4. April 2023

Reif auf der Wiese

Es ist eisig kalt. - 4 Grad. Am Waldrand steht ein Reh im Gebüsch und traut sich nicht heraus. Ich überlege, wo eigentlich meine Vögel abgeblieben sind und denke dabei über einen Text nach, mit dem ich Menschen zu einem Lesekreis einladen könnte. Einen solchen Kreis will ich hier für unseren Verein ja organisieren. Dabei fällt mir auf, mal wieder, wie schwer ich mich damit tu, etwas auf Bestellung zu schreiben. Werbetexterin werde ich also nicht, wenn ich groß bin. 

Gestern bin ich mit Frau J. mitgefahren, habe mich in Neustadt absetzen lassen, habe Flaschen entsorgt, Pfandflaschen abgegeben, eingekauft. Die restliche Wartezeit habe ich mir beim Bäcker mit einem Stück Kuchen versüßt. Nicht gerade allerbeste Lage, aber man sitzt bequem auf grünen Sofas. Dort könnte ich auch einfach mal so zum Schreiben hinfahren, wenn es mir zu Hause zu einsam ist. Ich habe schon immer gern in Cafés geschrieben. Allerdings brauche ich dann ein ordentliches Rad. Ein E-Bike. Die Eckdaten für meine Recherche nach einem guten gebrauchten Rad habe ich schon. Mittelmotor. Nabenschaltung. Keine hydraulische Bremse. Ich habe zwar nicht alles verstanden, was mir der Buckower Freund erklärt hat, aber ich werde mich an seinen Ratschlägen orientieren. Er ist der Profi. Und dann ist endlich eine Meise am Knödel. Das wurde auch Zeit! 

Sonntag, 2. April 2023

Aufgewacht zur Wolfsstunde

Schrecklich gefühlt. Was mache ich hier? Nicht nur hier auf dem Land, sondern hier in diesem Leben? Ist doch ziemlich sinnlos so insgesamt. Nachts vor allem. Da ist alles anders. Da fühle ich mich anders. Da fühle ich mich so, als würde ich allein auf einem Berg im Himalaya sitzen. (Schön weit weg also, da, wo ein Kontakt nicht mal so eben herzustellen ist.) Die unendliche Geschichte. Würde ich mich anders fühlen, wenn die Maisonette bewohnt wäre? Wenn da nicht nur gelegentlich zwei Frauen auftauchen? Vermutlich nicht. Ich habe mich in den letzten 20 Jahren (oder 30?) auch so gefühlt, wenn ein geliebter Mensch neben mir oder im Nebenzimmer lag. Das ist eine Art Grundgefühl, das sich vor allem in der Stille der Nacht bemerkbar macht. Goloka sagte neulich, ich hätte mich hier selber auf Entzug gesetzt. Früher hätte ich meine sozialen Kontakte, meine Aktivitäten - ich bin die Kulturbeauftragte, die Kunstinteressierte, dies und das eben, wichtig vor allem - dazu genutzt, um mich abzulenken. Das hat zwar auch nicht funktioniert, aber hier funktioniert es noch weniger.  

Gestern war ich mal wieder auf dem Youtube-Kanal meiner Lieblingsmystikerin Sabine Bobert unterwegs und habe mir ein paar Beiträge angeschaut. In einem erzählte sie von dem Buch "Zusammen im Licht", in dem Raymond Moody von Dingen berichtet, die Angehörige mit Sterbenden erleben. Sofort ist mir der letzte Besuch bei meiner sterbenden Freundin in Kladow eingefallen. Ich hatte an ihrem Bett gesessen, ihre Hand gehalten, und dann habe ich uns beide in einer jüngeren Version von uns an einem Fjord gesehen. Das war so realistisch. Vielleicht war das eine Art Totenbettvision, die ich mit meiner Freundin geteilt habe. Später in der Nacht hatte ich ja das Gefühl, sie wäre bei mir. Oder eine Energie wäre es, die mich euphorisch stimmte. Es gibt so viel zwischen Himmel und Erde....


An der Dosse zum Untersee