Sonntag, 9. April 2023

Ein ehemals belebtes Haus ist traurig

Der Iraker ist schon vor ein paar Wochen ausgezogen. Die Italienerin ist in Italien. Ich vermute, dies ist das letzte Mal, bevor sie im Juni in ihre Heimat zurückkehrt. Der Hausmann lässt sich von seiner Familie am Bodensee päppeln, der Tunesier geht auch Ostern ins Büro, und die Thailänderin müsste sich jetzt in diesem Moment irgendwo in der Nähe des Flughafens BER befinden. Ich habe sie die ganze Nacht gehört, wie sie treppauf, treppab gelaufen ist und wahrscheinlich nicht geschlafen hat. 

Gestern Abend haben wir beide beim Italiener an der Rehwiese ihren Abschied gefeiert. Sie war noch ein wenig gesprächiger und quirliger als sonst, die Aufregung vermutlich. Ich habe in diesen zweieinhalb Stunden mit ihr allein noch einmal ein ganz anderes Bild, einen anderen Eindruck von ihr bekommen. Sie hat mich in ihr Herz schauen lassen und ein paar Geheimnisse preisgegeben. Die Kinder, kann ich da nur sagen. (So haben der Hausmann und ich gelegentlich im scherzhaften Ton von unseren jungen Mitbewohnern gesprochen, sie wussten davon, nannten uns ihrerseits liebevoll Zweitmutter/Vater.) Sie erzählen einem nicht alles. Natürlich nicht. Das können sie vielleicht erst tun, wenn sie das Haus verlassen. Ich vermute, dass mir vor allem eine Szene in Erinnerung bleiben wird: Wie diese junge Frau am Ende heiter und gelöst Arm in Arm mit dem italienischen Kellner zur Tür geht, wie er ihr hinterherwinkt. Gute Reise. Arrivederci. Ciao. Ein anrührendes Bild. 

Obwohl ich auf das Gewusel am Zoo sehr gut verzichten kann, wurde mir vorgestern plötzlich sehr eigenartig, als ich durch die bekannten Straßen zu unserem Haus lief. Mein Herz tat weh. Himmel. Das war meine Heimat. Vielleicht die einzige - von ein oder zwei Partnern abgesehen - die ich jemals hatte, die ich jemals spüren konnte. Und die musste ich jetzt verlassen. Das fühlte sich an wie Liebeskummer. Solch heftige Gefühle stellen sich bei mir manchmal mit Verzögerung ein.

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