Mittwoch, 26. April 2023

Eben war der Specht da

Ich bin noch nicht richtig wach. Die Sonne scheint. In der Wiese schon wieder das Entenpaar. Man sieht nur die Köpfe. Auch eine Bachstelze treibt sich herum. Vielleicht sucht sie einen Nistplatz. Wo ist meiner? Hier? In der Wohnung nebenan? Ganz woanders? 

Heute Nacht hörte ich eine zarte Stimme in mir. Kann ich jetzt wieder nach Hause? Meine Kleine. Du bist noch nicht endgültig angekommen. Dieser Teil von mir - ich vermute, es ist der Säugling, der noch Spuren des Heimaufenthaltes vom Anfang seines Lebens in sich trägt - ist verwirrt. Sie weiß nicht, wohin sie gehört bzw. wohin ich sie verfrachtet habe. Nachdem ich sie getröstet und ihr versichert habe, dass ich auf sie aufpasse, dass ich erwachsen bin und mich um alles kümmern werde, schien sie beruhigt. Aber ich weiß nicht, wie lange dieser Zustand anhalten wird, ob sie mir glaubt. 

Ich weiß nicht einmal, ob ich mir glaube. Stattdessen fühle ich mich plötzlich so allein und unverbunden, dass es weh tut. Dieses Gefühl hatte ich 2010 ganz stark, nach dieser Trennung, bei der ich fürchtete, ich würde sie nicht überleben. Hier in diesem Garten hat er mir damals gestanden, dass er eine andere liebt. Ich sollte mir keine Hoffnungen machen. Das war klar und hat mich so erschüttert, dass ich keinen Tag länger in meiner Sommerwohnung bleiben konnte, die zu finden mich doch so glücklich gemacht hatte. Ich bin von hier geflohen. Zurück in die Stadt, allerdings nicht in unsere gemeinsame Wohnung. Ein paar Tage war ich bei Freundinnen, dann in der WG. Auch hierher in meine Sommerwohnung bin ich zurückgekehrt. Mit dem grandiosen Plan, mich in einer Art Retreat meinem Kummer zu stellen und in der Zeit ein Buch darüber zu schreiben, wie man in 100 Tagen Liebeskummer los wird. Manchmal habe ich wirklich Ideen. Weder habe ich das Buch geschrieben, noch ist es mir gelungen, mal eben hurtig meinen Kummer verschwinden zu lassen. Aber immerhin hatte ich erkannt, dass es sich bei diesem Schmerz in meinem Inneren, bei diesem schrecklichen Gefühl um mein Grundgefühl, meine Grundangst handelte. Keiner liebt mich. Ich bin allein und gehöre zu niemandem. All die Ablenkungen, die flüchtigen Begegnungen in der Vergangenheit hatten daran nichts ändern können. Gerade diese Beziehung hatte mir ein paar Jahre Sicherheit gegeben. Und dann sind mir durch diese Trennung all meine verdrängten Gefühle um die Ohren geflogen. Ich habe keine Heimat. Nicht mal einen Mann. Und jetzt, 13 Jahre später, bin ich zurückgekehrt an den Ort dieser Erkenntnis. Vielleicht wollte mich der gerade empfundene Schmerz an diesen Umstand erinnern. Ja. Vielleicht bist du allein, vielleicht wirst du manchmal sogar einsam sein. Aber du bist heute stärker als damals. Hättest du mich daran nicht sanfter erinnern können? 

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