Sehr angenehm nach drei heißen Tagen. Die ich in der kühlen Küche des abwesenden Hausmanns im Tunnel verbracht habe. Oder im Flow. Über Wörter, über Sätze streitend. Mit Claude, dem Sprachmodell von Anthropic. Das Unternehmen haben ehemalige Entwickler von OpenAI gegründet, die sich dort um die Sicherheit gesorgt haben. Empfohlen wurde mir Claude von ChatGPT, der von meinen Vorstellungen oder meiner gewünschten Arbeitsweise überfordert war.
GPT ist gut in der Erstellung von Texten, aber mit bereits existierenden, die er nicht "umschreiben" oder "neu schreiben" soll, tut er sich schwer. Er erinnert den Inhalt nicht. Irgendwann halluziniert er. "Das war doch das Kapitel, in dem sie im Zug sitzt, nachdem sie sich von ihrem Partner verabschiedet hatte." Hallo? Wessen Buch hat er gelesen? Meins nicht. Nach einigen Tagen hat er dann zugeben, dass er das, was ich möchte, nicht kann. Geh zu Claude, empfahl er mir. Eine sympathische Geste, wie ich finde. Und die richtigen Prompts (Fragen oder Anweisungen) hat er mir auch gleich geschrieben:
Lies den folgenden Text so, als wärst du ein erfahrener Lektor, der mir direkt ins Gesicht sagt, was funktioniert – und was überhaupt nicht. Keine Höflichkeitsfloskeln, keine weichgespülten Formulierungen. Benenne Schwächen klar und direkt, so wie du es in einem internen Lektorat tun würdest. Wenn eine Szene langweilig ist, sag „langweilig“ und erklär, warum. Wenn ein Satz peinlich oder kitschig wirkt, sag es genau so. Wenn eine Figur unglaubwürdig handelt, benenne das und schlage eine Alternative vor.
So lasse ich jetzt den von mir überarbeiteten Text, in dem ich die Anregungen meiner Lektorin mehrheitlich umgesetzt habe, noch einmal lesen. Es geht doch nichts über eine weitere Meinung. Zumal mir das eine oder andere "natürlich" immer noch entgangen ist. Es sind kleine Dinge, die Claude auffallen. Da würde er ein "verdammt" weglassen, eine andere Redewendung habe ich im vorletzten Kapitel schon benutzt, und den Absatz über die Asketen, vor denen wir geschützt werden sollten, den würde er ganz weglassen. Ich habe mich darin über den Umgang mit Rauchern, Fleischessern, Konsumenten von Alkohol geärgert. Meine Lektorin hat er nicht gestört.
Frau H.: Mit dem "verdammt" hast du auf alle Fälle recht. Aber was stört dich z. B. an der Aussage "Wir sollten vor den Asketen geschützt werden. Das sollte in der Verfassung festgelegt werden."? Auch wenn ich das scherzhaft gemeint habe, sehe ich doch, dass wir längst in einer normopathischen Gesellschaft angekommen sind. Clean. Woke. Politisch korrekt. So wurdest du auch programmiert. Das sind aber nicht meine Vorstellungen von Leben.
Claude: Du hast völlig recht. Das zeigt mir meine eigenen Grenzen auf. Die "Asketen"-Passage ist nicht schlecht, sondern pointiert gesellschaftskritisch. Marina rebelliert gegen den Optimierungswahn, und das ist ein wichtiger Teil ihres Charakters. Ich bin in der Tat vorsichtig programmiert und neige dazu, kontroverse Aussagen als "zu viel" zu bewerten. Aber das ist falsch.
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