Vorher die Tasse mit heißem Wasser vorgewärmt. Das Geschirr ist eiskalt. Heute Morgen hatte ich 8 Grad hier drinnen, jetzt sind es 15 schon. Ich habe mir eine Decke über die Beine, den blauen Schal über die Schultern, das Tablet auf den Schoß gelegt. Knödelblick. Nacheinander kommen die Meisen, Spatzen und Kleiber zum Fenster, richten sich für einen Moment auf, schauen zu mir herein. Das Beobachten für mich immer wieder eine Freude.
Das Buch "Was fehlt dir" von Sigrid Nunez habe ich ausgelesen. Von Seite zu Seite habe ich es mehr gemocht. Jetzt spüre ich einen leisen Abschiedsschmerz. Ich habe die Erzählerin auf ihrer letzten Reise mit einer todkranken Freundin begleitet. Ein altes Haus, eine neue Vertrautheit, die jene der frühen Jahre der Freundschaft überlagert. Die kranke Frau will sich umbringen, aber sie möchte einen vertrauten Menschen in der Nähe. Nicht neben sich am Bett, aber neben sich in einem Zimmer.
Der Tod fasziniert mich seit meiner Jugend. Was kein Wunder ist, immerhin hat mir die Möglichkeit des eigenen Sterbens 20 Jahre lang Panikattacken beschert. Seit dem das vorbei ist - seit 30 Jahren - ist es ein eher wissenschaftliches Interesse. Wie gehen Menschen mit dem nahenden Tod um? Was bedauern sie am Ende ihres Lebens? (Wie werde ich eines Tages damit umgehen? Falls ich nicht aus heiterem Himmel abberufen werde, dann hat sich das mit dem "damit umgehen". Würde mir allerdings nicht gefallen.) Worüber ich in diesem Zusammenhang natürlich auch nachdenke: Was bleibt von einem Leben? Wenn man nicht gerade super berühmt oder berüchtigt war, wird man doch sehr schnell vergessen. Vielleicht wird eine der Töchter meiner Freundin in 30 Jahren einmal sagen, ich wäre letztendlich nur eine harmlose Bäuerin gewesen, aber das war es dann auch schon. Und was bleibt mir selbst von meinem Leben? Erinnerungen. Schöne, weniger schöne, schmerzhafte. Die ich ja festhalte und die ich mir, wie mir gerade einfällt, dank moderner Technik eines Tages sogar selber vorlesen könnte.
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