Hey. Ihr habt ihn mir versprochen. Wenigstens heute. Und was sehe ich? Nieselpiesel. Warum sollte ich da das Bett verlassen? Weil du mit zum Einkaufen fahren wolltest, solltest. Mein Hase. Stimmt. Die Liste habe ich gestern gemeinsam mit dem Hausmann erstellt. Nachdem wir den Text für die Weihnachtsmuffel fertig hatten. Die müssen sehr tapfer sein, die da hinten am Wald. Aber ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich darauf tippe, dass wir vor dem frühen Nachmittag nicht losfahren werden. Ich habe also noch etwas Zeit.
Lesezeit. Da fange ich doch gleich das nächste Buch von Sigrid Nunez an. "Die Verletzlichen." Und was lese ich vorangestellt als Motto? Das Leben ist nicht das, was man erlebt hat, sondern woran man sich erinnert, um es zu erzählen. (Gabriel Garcia Marquez, Leben, um davon zu erzählen). Wenn das nicht zu meinen gestrigen Gedanken passt. Und zu den drei Büchern, die ich vorgestern und gestern gelesen habe. Drei schmale Bände gefüllt mit geballtem Leben. Die Kopenhagen-Trilogie der 1917 geborenen Tove Ditlevsen, die sich 1976 umgebracht hat. Das Mädchen, das sich dumm stellte, damit es zumindest gelegentlich seine Ruhe vor der brutalen, herrschsüchtigen Mutter hatte, vor den Nachbarskindern in der ärmlichen Arbeitersiedlung, vor den anderen Mädchen in der Schule. Sie rettete sich in Bücher, in das eigene Schreiben. Obwohl das Schreiben das Wichtigste für sie war, suchte sie auch immer wieder Männer, heiratete, einmal sogar einen Arzt, damit der sie regelmäßig mit Drogen versorgen konnte, denn abhängig war sie auch. Vielleicht war für Frauen dieser Generation kein anderes Leben vorstellbar, der Mann als Versorger war das gängige Modell. Obwohl in einigen Beziehungen eher sie die Versorgerin war. Würde ich Fingernägel kauen, dann hätte ich sie mir in den beiden letzten Tagen abgekaut. Weil ich so in dieses Leben mit seinen seltenen Höhen und regelmäßigen und andauernden Tiefen eingetaucht bin.
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