Mittwoch, 25. Dezember 2024

Fast geschafft

Es ist mir schon beim Frühstück aufgefallen. Die Weihnachtsmusik geht mir auf den Senkel. Vielleicht wäre es anders, gäbe es wenigstens eine kleine Prise Schnee. Aber niente. Nada. Nüscht. Morgen Mittag ist es vorbei. Da wird zwar im Nachbardorf noch einmal kaffeetisiert, später sind wir zu einem nachbarschaftlichen Essen auf unserem Gehöft eingeladen, aber eigentlich hat sich Weihnachten für mich erledigt.

Für manche hat es gar nicht stattgefunden. Gestern dachten wir, sie würden unter uns die Werkstatt abreißen. Aber nein. Da wurde bis spät in die Nacht hinein an der Kräuterküche gearbeitet, in der Frau J. demnächst ihre wunderbaren Salben und Tinkturen herstellen wird.

Trotz der Abrissgeräusche haben wir uns zwei Filme mit Hugh Grant angesehen. Das hatten wir uns als Weihnachtsprogramm auch vorgenommen. Gut essen, trinken, kitschige Filme anschauen. Dabei hätten wir selber eine nette Szene Filmszene geboten. Die alten Leute sitzen auf dem Sofa, vor ihnen auf dem Teewagen der Laptop mit dem kleinen Bildschirm,  die Beine mit den Decken drüber liegen jeweils auf einem Sessel, und obwohl IHM schon fast die Trommelfelle platzen, sagt Sie, sie versteht nur jedes vierte Wort. Du kannst es ruhig lauter machen, Hase. Hase braucht Hörgerät, wenn das so weitergeht.

Dienstag, 24. Dezember 2024

Give Peace A Chance


 

Die Sonne verabschiedet sich eindrucksvoll

Für meine Freunde hänge ich trotzdem noch schnell zwei Knödel raus. Zünde neue Kerzen an. Für die nächsten Tage ist jetzt ein kleiner Vorrat vorhanden. Ich bin immer noch sehr froh darüber, dass der Hausmann, die gute Seele, gestern an meiner Stelle mit zum Einkaufen gefahren ist. Er ist eben der Stoiker von uns beiden. Er kann warten, ohne in die Tischkante zu beißen. Er ärgert sich nicht, regt sich nicht auf. Mag sein, dass er erleuchtet ist. 

Mein Atelier ist frisch gesaugt, das Bad geputzt, Karten und elektronische Post habe ich gelesen. Und dabei ein bisschen geweint, weil mir manches so ans Herz gegangen ist. Geschichten von beruflichen Abschieden, von der dabei zum Ausdruck gebrachten Zuneigung und Wertschätzung. 

Ich habe mir ein festliches Kleid angezogen, was dem Hausmann, mit dem ich vorhin kaffeetisiert habe, nicht mal aufgefallen ist. Is ja alles schwarz, wie soll Mann da was sehen? Jetzt sagt er -  er ist gerade hereingekommen und ich habe ihm erzählt, was ich geschrieben habe - ich möge doch bitte die große, unförmige Strickjacke erwähnen, die das alles verdeckt hat. Nein, er ist definitiv nicht erleuchtet.

Montag, 23. Dezember 2024

Warten auf den Schnee

Hey. Ihr habt ihn mir versprochen. Wenigstens heute. Und was sehe ich? Nieselpiesel. Warum sollte ich da das Bett verlassen? Weil du mit zum Einkaufen fahren wolltest, solltest. Mein Hase. Stimmt. Die Liste habe ich gestern gemeinsam mit dem Hausmann erstellt. Nachdem wir den Text für die Weihnachtsmuffel fertig hatten. Die müssen sehr tapfer sein, die da hinten am Wald. Aber ich glaube nicht, dass ich mich irre, wenn ich darauf tippe, dass wir vor dem frühen Nachmittag nicht losfahren werden. Ich habe also noch etwas Zeit.

Lesezeit. Da fange ich doch gleich das nächste Buch von Sigrid Nunez an. "Die Verletzlichen." Und was lese ich vorangestellt als Motto? Das Leben ist nicht das, was man erlebt hat, sondern woran man sich erinnert, um es zu erzählen. (Gabriel Garcia Marquez, Leben, um davon zu erzählen). Wenn das nicht zu meinen gestrigen Gedanken passt. Und zu den drei Büchern, die ich vorgestern und gestern gelesen habe. Drei schmale Bände gefüllt mit geballtem Leben. Die Kopenhagen-Trilogie der 1917 geborenen Tove Ditlevsen, die sich 1976 umgebracht hat. Das Mädchen, das sich dumm stellte, damit es zumindest gelegentlich seine Ruhe vor der brutalen, herrschsüchtigen Mutter hatte, vor den Nachbarskindern in der ärmlichen Arbeitersiedlung, vor den anderen Mädchen in der Schule. Sie rettete sich in Bücher, in das eigene Schreiben. Obwohl das Schreiben das Wichtigste für sie war, suchte sie auch immer wieder Männer, heiratete, einmal sogar einen Arzt, damit der sie regelmäßig mit Drogen versorgen konnte, denn abhängig war sie auch. Vielleicht war für Frauen dieser Generation kein anderes Leben vorstellbar, der Mann als Versorger war das gängige Modell. Obwohl in einigen Beziehungen eher sie die Versorgerin war. Würde ich Fingernägel kauen, dann hätte ich sie mir in den beiden letzten Tagen abgekaut. Weil ich so in dieses Leben mit seinen seltenen Höhen und regelmäßigen und andauernden Tiefen eingetaucht bin.

Samstag, 21. Dezember 2024

Kaffee mal gefiltert

Vorher die Tasse mit heißem Wasser vorgewärmt. Das Geschirr ist eiskalt. Heute Morgen hatte ich 8 Grad hier drinnen, jetzt sind es 15 schon. Ich habe mir eine Decke über die Beine, den blauen Schal über die Schultern, das Tablet auf den Schoß gelegt. Knödelblick. Nacheinander kommen die Meisen, Spatzen und Kleiber zum Fenster, richten sich für einen Moment auf, schauen zu mir herein. Das Beobachten für mich immer wieder eine Freude.

Das Buch "Was fehlt dir" von Sigrid Nunez habe ich ausgelesen. Von Seite zu Seite habe ich es mehr gemocht. Jetzt spüre ich einen leisen Abschiedsschmerz. Ich habe die Erzählerin auf ihrer letzten Reise mit einer todkranken Freundin begleitet. Ein altes Haus, eine neue Vertrautheit, die jene der frühen Jahre der Freundschaft überlagert. Die kranke Frau will sich umbringen, aber sie möchte einen vertrauten Menschen in der Nähe. Nicht neben sich am Bett, aber neben sich in einem Zimmer.

Der Tod fasziniert mich seit meiner Jugend. Was kein Wunder ist, immerhin hat mir die Möglichkeit des eigenen Sterbens 20 Jahre lang Panikattacken beschert. Seit dem das vorbei ist - seit 30 Jahren - ist es ein eher wissenschaftliches Interesse. Wie gehen Menschen mit dem nahenden Tod um? Was bedauern sie am Ende ihres Lebens? (Wie werde ich eines Tages damit umgehen? Falls ich nicht aus heiterem Himmel abberufen werde, dann hat sich das mit dem "damit umgehen". Würde mir allerdings nicht gefallen.) Worüber ich in diesem Zusammenhang natürlich auch nachdenke: Was bleibt von einem Leben? Wenn man nicht gerade super berühmt oder berüchtigt war, wird man doch sehr schnell vergessen. Vielleicht wird eine der Töchter meiner Freundin in 30 Jahren einmal sagen, ich wäre letztendlich nur  eine harmlose Bäuerin gewesen, aber das war es dann auch schon. Und was bleibt mir selbst von meinem Leben? Erinnerungen. Schöne, weniger schöne, schmerzhafte. Die ich ja festhalte und die ich mir, wie mir gerade einfällt, dank moderner Technik eines Tages sogar selber vorlesen könnte.

Freitag, 20. Dezember 2024

Zeit der langen Schatten

An den Birken vorbei durch den Wald, in dem schlanke Kiefern wie gefallene Mikadostäbe liegen, über die Wiese, unter dem Weidezaun hindurch, rüber zum Deich. Ein paar Kühe schauen interessiert, die meisten fressen einfach weiter. Wind und Kranichrufe. Sie sind also immer noch da. Wollen vielleicht gar nicht fort. Beim Bauern in der großen Pfütze badet eine Wildgans. Zwei andere sehen aus, als würden sie sich die Sache noch überlegen. 

Bei strahlendem Sonnenschein habe ich mich auf den Weg gemacht. Wieder zu Hause kann ich Kerzen anzünden und mich den letzten Seiten widmen. Ich habe schon zwei Bücher von Sigrid Nunez gelesen, die mir beide sehr gefallen haben. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, wie schwierig es ist, wenn man als junge ambitionierte Autorin auf eine Legende trifft, mit dem Sohn dieser Legende eine Beziehung hat, zu dritt in der Wohnung der berühmten Frau lebt (und leidet). Davon wird in "Sempre Susan" erzählt. Allerdings weiß ich gar nicht, ob ich das alles über Susan Sontag wissen möchte. Neben einer gewissen Bewunderung spüre ich da vor allem eine Menge unterschwelligen Groll bei der Autorin. Die Person Sontag wird mir so unsensibel, so unsympathisch, geradezu neurotisch präsentiert, dass ich ein paar Mal überlegt habe, das Buch nicht zu Ende zu lesen. Aber nun ist es getan, und ich habe gerade oder trotzdem Lust, noch einmal etwas von Susan Sontag zu lesen.   

Auf dem Deich an der Alten Jäglitz


 

Fast geschafft

Es ist mir schon beim Frühstück aufgefallen. Die Weihnachtsmusik geht mir auf den Senkel. Vielleicht wäre es anders, gäbe es wenigstens eine...