Irina Maslennikova und das Offene Atelier in der Roddahner Kirche
Im März 2023 bin ich – inzwischen 70 Jahre jung – von Berlin aufs Land gezogen. Und hätte es damals nicht das Offene Atelier im Nachbardorf gegeben, wäre mir der Start wohl deutlich schwerer gefallen. Was ich dort fand, hat mich überrascht: Lebendigkeit, Wärme, Begegnung – ein Raum voller Kunst, Gespräche und Inspiration. Geschaffen wurde dieser Ort von Irina Maslennikova, Künstlername Kiri Li – einer jungen, dynamischen Frau mit einem offenen Herzen und einem feinen Gespür für Menschen.
Dank ihres Einsatzes und ihrer kreativen Ideen ist die alten Dorfkirche zum offenen Kunst- und Begegnungsraum geworden, in dem gemalt, getöpfert, gezeichnet, genäht werden kann. Man kann im Reparatur-Café gemeinsam Fahrräder flicken, mit Künstlern aus der Region sprechen, an Workshops teilnehmen, Ausstellungen besuchen, bei Jam Sessions mitspielen oder einfach nur einen Kaffee trinken und sich austauschen.
Das Herz dieses Ortes ist Irina. Gemeinsam mit dem Verein Flusskultur und gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg hat sie etwas geschaffen, das weit über ein Kunstprojekt hinausgeht. Es ist ein Ort, der Mut braucht. Energie. Humor. Großzügigkeit. Vision. Und vor allem: die Fähigkeit, Menschen wirklich zu sehen. Irina bringt all das mit.
Sie stammt aus einfachen Verhältnissen und hatte schon früh das Bedürfnis, sich auszudrücken. Prägend war für sie der Offene Kunstverein in Potsdam, wo Kinder und Jugendliche tatsächlich mitentscheiden dürfen – partizipativ, auf Augenhöhe. Trotzdem studierte sie nicht Kunst, sondern Design, weil sie sich nicht vorstellen konnte, vom Künstlerischen zu leben. Später arbeitete sie unter anderem in der Koordination des Museums Patentpapierfabrik – ein respektabler Job, aber nicht der richtige. Sie wollte mit Menschen arbeiten: künstlerisch, lebendig, in einem Raum, in dem man voneinander lernen, sich inspirieren lassen und sich vernetzen kann. Gerade auch als jemand, der – wie sie sagt – „durstig ist nach intellektuellem Austausch“.
Wichtig war ihr auch: Der Zugang zu solch einem Raum muss erschwinglich sein – für alle. Denn sie wusste, wie schnell ein solcher Ort zu mehr wird: zu einem sozialen Treffpunkt. Nach einem leichten Burnout wagte sie den Neuanfang. Die erste Blockade löste sich, als sie selbst einen Workshop gab – das war der Beginn. Dann kam die leerstehende Kirche, der Verein, der sie retten wollte, und Irina – mit ihren Ideen, ihrem Mut, ihrer Vision.
Dank der Projektförderung kann sie heute hochwertiges Material zur Verfügung stellen. „Die Menschen sind ohnehin schon oft im Mangel“, sagt sie. „Sie sollen nicht aus Angst, ein Blatt zu verschwenden, gehemmt sein.“ Seit ihrer Ausbildung zur Kunsttherapeutin ist ihr dieser Gedanke noch wichtiger geworden. Immer wieder beobachtet sie, was passiert, wenn Menschen sich etwas erlauben – und wie befreiend es sein kann, einfach zu gestalten. Im Vergleich zu all dem Papier, das für Bürokratie verschwendet wird, sei das Offene Atelier fast ein symbolischer Ort des Ausgleichs.
Und so kommen sie, im dritten Jahr: Künstlerinnen und Künstler genauso wie ein 85-jähriger ehemaliger Meliorationsfachmann oder eine 15-jährige Schülerin. Kinder, Familien, Singles, Alte, Junge, Männer, Frauen – sie alle finden hier Raum. Raum zum Um-die-Ecke-Denken. Raum, um Knoten zu binden – und um Knoten zu lösen.
Ich selbst habe dort in den letzten beiden Sommern mehr ausprobiert als in Berlin in den letzten zehn Jahren: Ich habe mit altem Eisen gearbeitet, gemalt, gezeichnet, aus Alufolie eine Skulptur gebaut. Nichts davon war für eine Galerie gedacht – aber es hat mich glücklich gemacht. Und ich habe Menschen getroffen, mit denen ich gern Zeit verbringe, ganz ohne Druck oder Verpflichtung. Für mich ist das Atelier ein echter Glücksort – und ein wunderbarer Ort für einen Sommerbesuch.
Entstanden aus einem Brief an „Hotel Matze“ und einem nie veröffentlichten Artikel für die MAZ.
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