In der Stimme der Frau schwang ein Hauch gespielter Empörung mit. Das wäre doch kein Sommer. Nachdem ich klargestellt hatte, dass das Wetter leider nicht in meiner Zuständigkeit liegt, erzählte sie mir, dass sie am Morgen mit ihren Eltern in Tel Aviv telefoniert hätte. 39 Grad wären dort. Oh je. Das wäre für mich viel zu warm, ließ ich sie wissen. Ja. Aber das hier heute, das ist ja nicht warm. Ihr wäre kühl. Sie stand in der Sonne neben dem kleinen Einstieg, den ich gerade benutzt hatte, nachdem ich mich kurzentschlossen aus meinen Sachen gewunden hatte.
Und daran war eigentlich der freundliche Mann schuld, der vom Wasser aus versucht hatte, das Fräulein zum Schwimmen zu verleiten. In den See geht sie neuerdings, aber nur bis zur Schulter. Geschwommen wird auf keinen Fall. "Vielleicht würde sie, wenn Sie mitgehen????" Warum eigentlich nicht? Handtuch und Badeanzug hatte ich ja dabei. Während ich schwamm, wurde ich interessiert vom Fräulein beobachtet. Zu mir locken ließ sie sich nicht.
"War gar nicht so kalt, stimmt's?" Ich gab zu, dass es angenehm gewesen war. Musste mich aber doch in der Sonne neben dem freundlichen Mann auf der Bank sitzend wieder aufwärmen. Er ist in 40 Jahren anderthalb Mal um die Welt gelaufen, mit dem Rad gefahren, das hat er erst vor kurzem ausgerechnet. Ich erzählte von der Frau in meinem Nachbardorf, die im nächsten Jahr das zweite Mal die Welt umrundet hätte mit ihrem Rad. Was man so an Informationen austauscht, wenn man mit Fremden ins Gespräch kommt.
Gestern habe ich mich dabei ertappt, dass ich als Botschafterin für die Region Ostprignitz auftreten könnte. Ich hatte der netten Frau auf der Bank neben meiner (andere Bank, derselbe See) begeistert von dem weiten Himmel, den Wiesen und Feldern, den Kranichen erzählt und für einen Kurzurlaub Wusterhausen, Kyritz oder Havelberg empfohlen. Das habe ich vorhin so ähnlich noch einmal der sympathischen Frau aus Tel Aviv erzählt, zu der ich mich nach dem Aufwärmen noch einmal gesellt habe. Ihr deutsch nahezu perfekt. Kein Wunder, wenn sie Fontane liest. Den Akzent hätte ich als französisch eingestuft, was richtig beobachtet war. Die Mutter Französin, der Vater Grieche, geboren in Tel Aviv, verheiratet mit einem Amerikaner. Beruflich für 18 Monate in Berlin, 17 sind bereits vorbei. Es gibt eine Verlängerung. Die Stadt gefällt ihr. So viel Grün, so viel Wasser. Aber immer hier leben möchte sie nicht. Die Deutschen wären...etwas zugeknöpft. Und obwohl sie eine so wunderbare ausdrucksstarke Sprache haben, benutzen sie lauter englische Floskeln.
Auf dem Heimweg habe ich bedauert, ihr nicht meine Nummer gegeben zu haben. Wenn sie noch eine Weile in Berlin ist, ein Auto hat, hätte sie mich in meinem Dorf besuchen können. Von meiner Seite war es Sympathie auf den dritten Satz. Diese gespielte Empörung bei der Frage nach dem Wetter....Klasse.
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