'Til death do us part
And here is your death
In your daughter's heart
Den Song von Leonhard Cohen habe ich gestern einige Male gehört, als ich die Fotos von ihm gesucht habe. Mein ältester Freund in diesem Leben - wir kennen uns fast 60 Jahre - ist gestorben. Am Ostermontag. Er hatte mich am Vormittag auf Telegram noch gefragt, was ich gerade mache. Dann war die Verbindung abgebrochen. Weil er nicht mehr da war. Eine gemeinsame Freundin hat mich gestern angerufen, um mir die Hiobsbotschaft mitzuteilen. Am Montag hatte er ihr am Ende des Telefonats gesagt, ihm wäre übel. Wenig später muss es passiert sein. Er ist am Pool zusammengebrochen. Ein schneller Tod, wie es sich viele wünschen. Nur nicht mit 72.
Im Juli wollte er nach Berlin kommen, um sich von "meinem" Doc untersuchen und vielleicht eine neue Hüfte einbauen zu lassen. Und tatsächlich hatte ich überlegt, ihn in der Türkei zu besuchen, meine Flugabneigung also für den guten Zweck zu überwinden. Ich habe so viele Fragen unsere gemeinsame Vergangenheit betreffend. Was hat er gedacht, als wir uns das erste Mal in der Schule gesehen haben? Er kam ja erst später in unsere Klasse. Überhaupt die Schulzeit. Woran erinnert er sich im Gegensatz zu mir? Und war er wirklich 18, als er seinen Ausreiseantrag gestellt hat? Und wann genau hatte er diesen schwedischen Diplomaten besucht, dem er seine und dem 4 Jahre später ich meine Ausreise verdanke? Wann haben wir uns mit Freunden in Prag getroffen? War das kurz nach meiner Ausreise? Sommer 81? Sind wir mehrere Male zusammen um den Schlachtensee gelaufen? Und diese polnische Hochzeit, zu der er mich mal verschleppt hatte, nach der ich eine Woche krank war, weil ich so viel getrunken hatte. Bei seiner ersten Hochzeit übrigens auch, dazu könnte er vielleicht auch ein paar Details beitragen. Und so weiter und so weiter....
Von meinem Freund und von dem menschenfreundlichen und abenteuerlustigen Schweden habe ich erst am Sonntag erzählt. Bei einem sehr berührenden Treffen im Nachbardorf mit einem befreundeten Paar der Freundin, die mir beide nach kurzer Zeit so nah waren, wie mir das selten mit Fremden passiert. Und das lag nicht nur daran, dass der Mann ein Schreiber ist und dass mir sein Buch sehr gefallen hat. Zwischen uns gab es eine Form von Resonanz, ein ehrliches Interesse aneinander, und das erzeugt Nähe, wie ich immer wieder feststellte. Am Ende dieses Treffens wurde ich wieder einmal gefragt, warum ich das alles nicht aufschreibe. Das würden sie gern lesen. Ich hatte geantwortet, dass ich tatsächlich schon länger darüber nachdenke, nicht nur über diese Geschichte, sondern in diesem Zusammenhang auch von dieser Freundschaft zu erzählen, die mal intensiver, mal weniger intensiv war und die für ein paar Jahre auch gar nicht gepflegt wurde. Was hatte ich mich gefreut, als er mir 2022 diese Mail geschrieben hatte. Weil er zweimal hintereinander von mir geträumt hatte. Seitdem sind wir wieder im Kontakt. Worüber ich sehr froh war. Und jetzt macht der Kerl sich einfach so vom Acker. (Das habe ich 2016 schon einmal geschrieben, fällt mir ein, als in einem anderen Frühling Anidana gestorben ist.) Während die Natur aus allen Nähten platzt. Neubeginn. Und ich muss mich verabschieden. Das wird dauern. Gute Reise lieber Freund!
Warschau 1973Prag Sommer 1981
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