Donnerstag, 30. November 2023

Bevor ich gestern Abend

ins Bett gegangen bin, habe ich noch schnell zum Fenster herausgeschaut. Im Nachbarhaus war alles dunkel. Gut. Dann würde Frau J. wohl schlafen. Sie ist krank. Hätte mich gar nicht vom Bahnhof abholen sollen. Versprechen hin und her. Ich hätte in Berlin bleiben, vielleicht hätte auch jemand anders. Aber hätte hätte. Frau J. ist ziemlich stur, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Nein. Ich könne nichts für sie kaufen. Das müsste sie schon selbst. Und dann sah es im Supermarkt ein paar Mal so aus, als würde sie gleich umfallen. Was dann Gott sei Dank nicht passiert ist. Auch die Frau an der Kasse schien besorgt.

Während wir dann sehr langsam zu unserem Dorf fuhren – die Wege waren teilweise vereist, ab und zu rutschten wir hin und her, es war diesig und schneite – erzählte Frau J. von anderen Wintern vor vielen Jahren und was ihr da passiert war. Einmal war sie im Graben gelandet, einmal hatte sich das Auto überschlagen und war auf dem Dach zum Stehen gekommen. Weil sie mich schützen wollte, hatte sie eine Maske vor Mund und Nase, und durch die hindurch habe ich nur die Hälfte verstanden, aber die Hälfte genügte. Liebes Universum oder wer auch immer hier zuständig ist, bitte macht, dass wir heil heim kommen. Hat geklappt. Und dann dachte ich, dass es gut ist, dass ich da bin. Man sollte hier nicht krank und alleine sein. Eine muss das Holz für den Ofen holen – das Haus von Frau J. wird nur mit Holz beheizt – oder mal eine Mahlzeit zubereiten. Notfalls auch einen Arzt rufen. Oder den Nachbarn. Und falls es hier drin mal ein bisschen wärmer wird – vorhin hatte ich noch 10 Grad, nach einer Woche Abwesenheit kein Wunder – dann verlasse ich auch das Bett.

 

Mittwoch, 29. November 2023

Hinter Spandau

fängt der Nebel an. Nachdem ich dreimal den Platz gewechselt habe, sitze ich endlich entspannt im Oberdeck direkt vor der 1. Klasse, habe eine schöne Aussicht und ausreichend Platz für mein Gepäck. Das sich in den letzten Tagen mehr als verdoppelt hat. Daran sind nicht nur die Besuche in meinem neuen Lieblings-Humana in der Karl-Marx-Str. schuld. Ich habe auch mehrere Packungen Kerzen gekauft, die gibt es bei uns nicht so günstig. Der Freund hat mir noch gut funktionierende Second-Hand-Lautsprecher für meinen Laptop mitgegeben. Die Hälfte vom selbstgebackenen Brot. Quittenkonfekt. Zwei Sorten französisches Duschgel hat sein Sohn mir geschenkt, nachdem ihn vor ein paar Wochen meine Begeisterung erheitert hatte.

Aber am schönsten ist, dass ich angefüllt mit guter Laune nach Hause fahre. Mir war gar nicht klar, wie viel Energie mich die letzten Wochen gekostet haben. Die Krankheit. Das Alleinsein. Da war doch ein ziemlicher Unterschied im Vergleich zu den letzten Monaten. Ich erinnere mich noch gut, dass ich Skeptikern gesagt hatte, ich hätte keine Angst vor der dunklen Jahreszeit. Ich bin gerne allein. Das stimmt auch. Aber ich bin auch ein soziales Wesen. Schätze andere Menschen. Vor allem schätze ich interessanten Gedankenaustausch. Begegnungen mit Menschen, die offen sind, die ihr Verhalten reflektieren, sich in Frage stellen. Wenn wir uns gegenseitig auf diese Weise begegnen, dann können manchmal Wunder geschehen. In meinem Fall beginnt dann Liebe zu fließen. Dann möchte ich Menschen und Bäume umarmen. Das Rotkehlchen knuddeln. Dann sprudle und zwitschere ich. Und dann lichtet sich auch hier über den Wiesen der Nebel.



Dienstag, 28. November 2023

Der Stoff fühlt

sich auf der Haut sehr angenehm an. Aber wie sehe ich darin aus? Passt das dunkle Violett zur irakischen Verlobung? Um festliche Kleidung wurde in der Einladung extra gebeten. Ich mache ein Foto und schicke es dem Taxifahrer, mit dem ich heute Mittag schon einen Kaffee auf seinen Geburtstag getrunken habe. Er hat mir ein gebrauchtes Tablet besorgt, damit ich zukünftig in der Bahn meine Kursunterlagen lesen kann. Meinen neuen Haarschnitt fand er chic. Und das könne ich ihm glauben, man würde ihn schließlich nicht umsonst den Dior der Taxifahrer nennen. Dior findet das Kleid okay. „So stichst du wenigstens die Braut nicht aus.“ Danke. Sehr freundlich.

Eine halbe Stunde später vertraue ich meinen leuchtenden Augen und dem Kommentar der jungen Frau, die mir mit dem Reißverschluss am grünen Samtkleid mit den Organza-Ärmeln hilft. „Du siehst toll aus.“ Das finden dann später auch die Buckower Herren, die Verlängerung meines Berlin-Besuchs hat sich also gelohnt. Humana sei Dank. Mein neuer Lieblings-Second-Hand. Da kann Salzburg nicht mithalten.



 

Donnerstag, 23. November 2023

Die Kälte steckt

mir immer noch in den Gliedern. Das Frieren hatte auf dem Weg zum Bahnhof in Neustadt angefangen und in Neukölln seinen Höhepunkt erreicht, als ich eine halbe Stunde auf den Bus warten musste. Dafür prasselte in Buckow im Küchenofen ein schönes Feuer und in meinem Zimmer war die Heizung aufgedreht. Ein echter Freundschaftsdienst von einem, der selbst im Kalten sitzt und nichts dabei findet. Eskimo in einem früheren Leben. In der Nacht wurde ich wach, weil in der Nachbarwohnung jemand polterte. Hilfe. Einbrecher. Dann erinnerte ich mich Gott sei Dank daran, dass ich gar nicht zu Hause bin, dass die Geräusche von der Treppe kommen. Und jetzt steigt mir Kaffeeduft in die Nase.

Fast geschafft

Es ist mir schon beim Frühstück aufgefallen. Die Weihnachtsmusik geht mir auf den Senkel. Vielleicht wäre es anders, gäbe es wenigstens eine...